"Die Bunte Kurstadt?!"
von Kevin Phillipp
"Die Bunte Kurstadt?!"
Gedanken zu Weihnachten von Bürgermeisterin Astrid Münster
Lea (10 Jahre), Jan (8) und Tim (5) sitzen mit Oma und Opa im Auto. Die Stimmung ist äußerst angespannt, weil Lea ihren Willen nicht durchsetzen konnte. Nach anfänglichem Disput zwischen Lea und den Großeltern spricht sie nun gar nicht mehr und schaut stur aus dem Autofenster raus. Tränen kullern die Wange entlang. Ihr kleiner Bruder Tim erklärt die Situation: „Oma, das ist nur die Pubertät!“ Daraufhin die Oma: „Was ist denn Pubertät?“ Tim: „Na wenn man nicht weiß, ob man noch Kind oder schon alt ist. Ja, aber das geht wieder weg!“
Ich glaube jeder, der mit Jugendlichen und Kindern zu tun hat, hat eine solche Situation so oder so ähnlich schon mal erlebt. In der Pubertät gibt es oft das Denken in Extremen: Entweder bist du für oder gegen mich, ganz lieb oder oberpeinlich, cool oder unfair; kurz alles ist entweder schwarz oder weiß.
In letzter Zeit habe ich das Gefühl, dass eine immerwährende Pubertät verstärkt unsere Gesellschaft – auch unsere Stadtgesellschaft – bestimmt! Wir bewerten viele Facetten unseres Zusammenlebens nur noch mit 0 oder 1, alles oder nichts, schwarz oder weiß. Bist du für oder gegen Klimaschutz? Für oder gegen Digitalisierung? Für oder gegen ein offenes pädagogisches Konzept im Kindergarten? Bist du für oder gegen mich? Jedes Fitzelchen unseres Lebens bewerten wir entweder mit dem Daumen hoch oder runter, dem freundlichen oder wütenden Emoji!
Vor allem im Netz, teilweise aber leider auch im Freundeskreis und unter Kollegen und Nachbarn, verlernen wir immer mehr, achtsam und respektvoll miteinander zu diskutieren. Tauschen wir wirklich Argumente aus und ergreifen die Chance, die eigene Sicht zu überprüfen? Oder geht es uns ums Recht behalten, bloß keinen neuen Gedanken zulassen? Oftmals erinnert das an intellektuelles Armdrücken, das nur Gewinner und Verlierer kennt. Droht Widerspruch oder Kritik und keine Bestätigung der eigenen Meinung, werden die Auseinandersetzungen nicht selten persönlich, verletzend, wütend und gehen unter die Gürtellinie.
Bad Düben sieht sich als „Bunte Kurstadt“ und wirbt mit diesem Selbstverständnis! Darunter verstehen wir nicht nur die Außenansicht und die Fassaden unserer schönen Stadt, sondern auch, wie wir unsere Gäste empfangen und begleiten! In erster Linie steht „Die Bunte Kurstadt“ aber dafür, wie wir unser Zusammenleben gestalten wollen. Wir haben viel vor: Altes bewahren und restaurieren, Neues anschieben. Wir können uns dabei ein Schwarz-Weiß-Denken nicht leisten! Und das, egal, ob wir die Kindergartenlandschaft neu gestalten, ein Hortkonzept erarbeiten, unserer Museumsausstellung neues Leben einhauchen oder uns über andere Dinge auseinandersetzen! Egal, ob wir bei Facebook oder Instagram, Bürgerversammlungen, in Initiativen oder im privaten Raum diskutieren!
Tim hat durch seine einfache wie altkluge Bemerkung verstanden, worauf es wirklich ankommt: Interesse an der Situation seiner Schwester, die Fähigkeit, sich in seine Schwester hineinzuversetzen und jede Menge Gelassenheit. Selbst Lea musste über den Kommentar ihres Bruders Lächeln, die Tränen hat sie weggewischt.
Die Weihnachtszeit und ein paar besinnliche Stunden bieten uns die Ruhe, nachzudenken, zu beobachten und zu lernen. Der Weihnachtsmann oder das Christkind erfahren das an jedem Heiligen Abend, wenn ihnen die Kinder die Frage beantworten, ob sie das vergangene Jahr lieb oder böse waren. Nach einem schüchternen „Ja“ oder „Nicken“ kommt meist ein „Nicht immer“ – zumindest dann, wenn sie noch nicht in der Pubertät sind!